„chamber III. through the surface“ von Guadalupe Aldrete
Performance und Installation zur LANGEN NACHT DER MUSEEN WIEN
kuratiert von Marcello Farabegoli
5.10.2024, 18 bis 24 Uhr
Installation 5.10. – 13.10.2024
WAM – Wiener Aktionismus Museum
Weihburggasse 26, 1010 Wien
www.wieneraktionsmus.at
ÜBER „CHAMBER III. THROUGH THE SURFACE“
Die performative Installation „CHAMBER III. THROUGH THE SURFACE“ ist die Fortführung einer Reihe von Arbeiten der in Wien lebenden mexikanischen Künstlerin Guadalupe Aldrete, die sich mit den verschiedenen körperlichen Aspekten des kulturellen Gedächtnisses befassen. Es handelt sich dabei um eine „performative Landschaft“, die vier aufeinanderfolgende Performances zu je 20 Minuten umfasst. Dabei nimmt die Künstlerin ihre eigene Herkunft als Hauptquelle der Inspiration, verweist jedoch auch auf allgemeine menschliche Themen und den generationsübergreifenden Charakter des somatischen Gedächtnisses.
Der Schwerpunkt von „CHAMBER III. THROUGH THE SURFACE“ liegt darin, die Beziehungen zwischen Familienmitgliedern und ihrem immateriellen Erbe zu erforschen, das über Generationen weitergegeben wird. Insbesondere im dritten Teil beschäftigt sich die Künstlerin mit den Rollen und Traumata, die wir von unseren Familien „erben“. Hier reflektiert sie über die Fähigkeit jedes Individuums zur Selbstbestimmung und regt dazu an, sich des Einflusses des sozialen Kontextes sowie des kulturellen und familiären Erbes bewusster zu werden. Gleichzeitig sucht sie nach Möglichkeiten, diese Fähigkeit zu wecken und zu stärken, um ein erfülltes Leben zu ermöglichen und die Weitergabe von Traumata an zukünftige Generationen zu verhindern.
In diesem Sinne hinterfragt die Installation von Aldrete die Verbindungen zwischen persönlichen und überlieferten Erfahrungen und verhilft zu einem tieferen Verständnis des intergenerationellen Gedächtnisses und dessen enger Verknüpfung mit dem kulturellen Erbe beizutragen. Nicht zuletzt versucht die Künstlerin mit ihrer Arbeit Einblicke in unsere menschliche Fähigkeit zur Transzendenz zu gewinnen.
BERÜHRUNSGPUNKTE MIT DEM WIENER AKTIONISMUS
Guadalupe Aldrete wurde vom WAM – Wiener Aktionismus Museum eingeladen, im Rahmen der Langen Nacht der Museen 2024 eine Performance zu realisieren und Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen ihrer künstlerischen Praxis und dem Wiener Aktionismus zu reflektieren. Angeregt durch Marcello Farabegoli, mit dem sie bereits 2021 und 2022 zusammengearbeitet hat und der sie bei diesem Projekt kuratorisch begleitet, sowie durch Gespräche mit der Direktorin des WAM, Julia Möbus-Puck, nimmt die Künstlerin diese Einladung zum Anlass, ihre Praxis im Kontext des Wiener Aktionismus zu reflektieren. Im Zentrum der Auseinandersetzung steht die Guadalupe Aldrete's Einsatz des eigenen Körpers und dessen Verhandlung anhand einer transformativen Malerei-Praxis. Aus einer nicht-binären, feministischen Perspektive beobachtet Guadalupe Aldrete kritisch, wie im Wiener Aktionismus der Körper des Anderen, insbesondere der weiblich gelesene und objektivierte Körper, sich als Projektionsfläche von Traumata und Frustrationen manifestiert. Sie ist sich zwar bewusst, dass die vier bekanntesten Künstler des Wiener Aktionismus Männer einer früheren Generation waren und insbesondere mit den Traumata des Zweiten Weltkriegs zu kämpfen hatten. Dennoch hat sie überhaupt kein Verständnis für die Übergriffe und schweren Verbrechen eines der vier Künstler und möchte mit ihrer Haltung auch das Leid seiner Opfer anerkennen.
In ihren aktuellen Arbeiten ist ein ähnlicher Ansatz wie bei Nitschs Gesamtkunstwerk zu erkennen, nämlich der Versuch, eine physische und subtile körperliche Erfahrung zu schaffen, die auch für das Publikum erfahrbar ist. Im Gegensatz zu Nitsch zieht es Aldrete jedoch vor, sich selbst als Hauptakteurin zu positionieren und den Raum für andere zu öffnen, die wiederum eine weniger aktive, aber dennoch entscheidende Rolle spielen.
Einen spezifischen Bezug zu ihrer eigenen Praxis erkennt die Künstlerin in der Arbeit von Günter Brus und den Einsatz seines eigenen Körpers, um „unsichtbare“ Faktoren performativ zu materialisieren. Diese Verbindungslinie resoniert mit dem Raum im WAM, in dem regulär die „Zerreißprobe“ von Brus im Rahmen der Ausstellung „WAS IST WIENER AKTIONISMUS?" zu sehen ist und in dem die Künstlerin nun „CHAMBER III. THROUGH THE SURFACE“ realisiert.
Text von Guadalupe Aldrete & Marcello Farabegoli
ÜBER DIE KÜNSTLERISCHE PRAXIS VON GUADALUPE ALDRETE
Guadalupe Aldrete erschafft performative Landschaften anhand von Performance, Malerei, Installation, Video und Fotografie. Ihre Werke sind Teil eines integralen und performativen Produktionsprozesses, der sich in der Präsenz bestimmter Handlungen und Materialien in den verschiedenen Arbeiten widerspiegelt. Aldrete sieht ihren Körper als Experimentierfeld, als Probe und Werkzeug.
Die Praxis der Künstlerin dient als Spiegel, der die universellen Fäden reflektiert, die uns alle verbinden: die Beziehung zu unserem Ahnenerbe, die tiefgreifenden Auswirkungen von generationenübergreifenden Traumata und die Widerstandsfähigkeit, die sich aus der Überwindung körperlicher, geistiger und emotionaler Hindernisse ergibt. Durch ihre Werke lädt sie uns ein, unsere eigenen Geschichten im komplexen Geflecht menschlicher Erfahrungen zu betrachten. Guadalupe Aldrete öffnet damit einen Dialog über die Zusammenhänge zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und deren Auswirkungen auf unsere individuellen und kollektiven Identitäten.
Guadalupe Aldrete wurde in Mexiko geboren und lebt seit 2016 in Wien. Ihre Arbeiten wurden international präsentiert, u.a. beim Infinite Present Festival in Ljubljana (2024), im PCP der Science Gallery London (2023), in der Meno Parkas Gallery in Kaunas (2019 und 2021) sowie im Museum für Moderne und Zeitgenössische Kunst MMSU in Rijeka (2018). Zu ihren ausgewählten Einzelausstellungen zählen „chamber II. reflecting river“ im Mz Balthasar Lab (Wien, 2024) und „Un Pueblo“ im eindorf Kunst Raum (2023). Aldrete war Resident im österreichischen Frauenmuseum Hittisau (2021) und im Lushan Art Museum in China (2018). 2023 erhielt sie das TQW „Stipendium Körper- & Performancepraktiken“.